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Brasilien will Ausländer schneller abschieben

 

Brasiliens Justizminister Moro will "gefährliche Ausländer" leichter abschieben lassen. Experten sehen darin einen versteckten Angriff auf einen US-Journalisten, der für Moro peinliche Chatprotokolle veröffentlicht hat.

Foto: MVRasseli/Flickr

"Ausländer, die für Brasiliens Sicherheit eine Gefahr darstellen", sollen leichter deportiert werden können - oder erst gar nicht ins Land gelassen werden. Das sieht die von Justizminister Sérgio Moro veröffentlichte "Verwaltungsanordnung 666" vor. Sofort gab es Kritik. "Es ist ja hier in Brasilien nichts passiert, das eine solche Verordnung überhaupt nötig machen würde", zeigte sich die Anwältin Tania Maria de Oliveira von der "Associacao Brasileira de Defesa à Democracia" gegenüber der DW überrascht.

Für alle, die sich in Brasilien mit dem Thema Migration beschäftigen, kam die Verordnung völlig unerwartet, sagt der Bundesanwalt João Chaves gegenüber der DW. Es sei eine historische Tradition Brasiliens, Immigranten nicht zu deportieren, sondern illegale Immigranten stattdessen zu legalisieren.

"Kein Problem mit Illegalen"

Derzeit leben rund 11.000 anerkannte Flüchtlinge in Brasilien, rund 160.000 Asylanträge laufen. Im Vergleich zu Europa gebe es in Brasilien weder ein echtes Migrantenproblem noch eine ernsthafte Diskussion darüber, betonte de Oliveira. "Wir haben kein Problem mit illegalen Ausländern, die Zahlen sind niedrig. Es gibt kein Argument für diese Verordnung."

Auch für Thiago Amparo, Experte für Menschenrechtsfragen und internationale Beziehungen der Fundacao Getúlio Vargas, ist Moros Motiv schleierhaft. Die Verordnung verstoße gegen die im Migrationsgesetz von 2017 vorgesehenen rechtlichen Garantien für Flüchtlinge. So seien die Einspruchsfristen von 60 Tagen auf nun 48 Stunden verkürzt worden. "Das verhindert, dass diese Personen ihre Recht überhaupt in Anspruch nehmen können."

Abschiebehaft wieder eingeführt

Pflichtverteidiger Chaves erinnert daran, dass die neue Verordnung zudem schwebende Verfahren ignoriere. Eigentlich hätten Ausländer den gleichen Anspruch auf ein Rechtsverfahren wie jeder Brasilianer. Die Verkürzung der Fristen auf 48 Stunden plus einem weiteren Tag für einen Einspruch steht dazu im Widerspruch, so Chaves. "Selbst in Deutschland mit seiner strengen Gesetzgebung würde kein Gericht so etwas akzeptieren."

Die neue Verordnung erlaube zudem die Deportation in Verdachtsfällen, wobei die Anhaltspunkte für einen solchen Verdacht auch von ausländischen Diensten stammen können. Das Gesetz von 2017 forderte hingegen ein gültiges Urteil als Bedingung für die Abschiebung. Zudem werde nun die Abschiebehaft wieder zugelassen, obwohl sie im Gesetz von 2017 erst abgeschafft worden war. Dass überhaupt ein Gesetz mit einer Verordnung korrigiert werde, sei an sich schon nicht verfassungskonform, so Pflichtverteidiger Chaves. Normalerweise würden Diktaturen so auftreten, und nicht Demokratien, so Chaves. Der richtige Weg sei, den Kongress das Migrationsgesetz ändern zu lassen.

Vorbilder USA, Polen, Ungarn

Mit seiner neuen "starken Rhetorik gegen die Migranten" folge Brasilien nun den USA, Polen und Ungarn, glaubt derweil Amparo. Und damit bringe sich Bolsonaro auf eine ideologische Linie mit diesen Ländern. "Das große Problem ist die Meinung, die Bolsonaros Regierung generell von der Migration hat", so Chaves. "Man sieht Migranten generell als Bedrohung der nationalen Sicherheit an."

Dies stünde der Tradition Südamerikas entgegen. "Südamerika war stets freundlich gegenüber Immigranten. Diese neue rigide Einstellung zeigt jedoch Ähnlichkeiten mit der Politik der USA. Was ja nicht heißt, dass dies eine gute Politik ist", so Chaves.

Brasiliens Tradition

"Brasilien sollte lieber in der eigenen Vergangenheit nach Inspiration suchen", glaubt er. In vielen Bereichen sei man schon weiter gewesen als zum Beispiel das heutige Deutschland, wo Antragsteller untätig auf ihr Urteil warten müssten. "Wir sind da effizienter, stellen dem Flüchtlingsbewerber direkt Papiere aus, damit er sein Leben leben kann."

In den USA und Europa sehe man Immigranten jedoch generell eher als Gefahr an. "Wir sollten dem nicht folgen, sondern der südamerikanischen Tradition folgen und das Leben der Flüchtlinge erleichtern", so Chaves. Zudem sei Brasilien längst kein klassisches Einwanderungsland mehr, dreimal mehr Brasilianer zieht es ins Ausland, als Ausländer nach Brasilien kommen.

Bolsonaros Lieblingsfeind: ein Amerikaner

An wen ist die Verordnung dann eigentlich adressiert, fragen sich Experten. Derzeit scheint Bolsonaro einen Lieblingsfeind zu haben: den US-Amerikaner Glenn Greenwald. Mit der Veröffentlichung von Chatprotokollen hatte der Enthüllungsjournalist zuletzt die Öffentlichkeit aufgewühlt. Darin werden Moro und die Ermittler der Anti-Korruptionseinheit "Lava Jato" gerade regelrecht öffentlich vorgeführt.

Greenwald hatte stets betont, die Chats von anonymer Seite bekommen zu haben. Bolsonaro und einige Minister forderten an diesem Wochenende jedoch Haft für Greenwald; man sei sich sicher, dass er hinter den Hacker-Attacken stehe, mit denen die Chats entwendet wurden. Da Greenwald zwei brasilianische Adoptivkinder hat, könne er jedoch nicht deportiert werden, lamentierte der Präsident. Greenwald sei ein "Schuft", schimpfte Bolsonaro.

"Dann geht er eben hier für ein paar Jahre in den Knast", kommentierte der Präsident. Am Montag legten Regierungsvertreter nach und beschuldigten Greenwald illegaler Praktiken beim Erwerb der Chat-Mitschnitte.

"Das ist Bolsonaros übliche Reaktion auf Nachrichten, die ihm nicht gefallen", so Marina Iemini Atoji vom Journalistenverband Abraji gegenüber der DW. "Er versucht, Journalisten einzuschüchtern." Dass er dies in seiner Funktion als Staatsoberhaupt mache, verheiße nichts Gutes. "Das stellt eine Gefahr für die Pressefreiheit dar."

Autor: Thomas Milz, Deutsche Welle

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