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Brasilien weiß genau, wie viel Regenwald abgeholzt wird

 

Seit 30 Jahren erfasst die brasilianische Regierung den Holzeinschlag im größten Regenwald der Welt. Was mit riesigen Fotos auf Papier begann, läuft heute digital. Bäume werden trotzdem weiter gefällt.

Regenwald, Abholzung, Brasilien

Seit 30 Jahren dokumentiert die brasilianische Regierung den Holzeinschlag im größten Regenwald der Welt. (Foto: DW/N. Pontes)

Wer in Brasilien vom Süden in den Norden fährt, kann beobachten, wie sich die Landschaft verändert. Dort, wo der Amazonas-Regenwald anfängt die Landschaft mehr und mehr zu prägen, dort fängt zugleich auch die Zerstörung an: dichte Laubdächer und nackter, steiniger Boden wechseln sich ab. Was die Holzfäller zurücklassen, ist gut dokumentiert. Einen Tag später taucht es 2000 Kilometer weiter südlich auf den Bildschirmen des "Nationalen Brasilianischen Instituts für Raumforschung" INPE (Instituto Nacional de Pesquisas Espaciais) in São Jose dos Campos im Bundesstaat São Paulo auf. Ein ganzes Team ist für die Erfassung der Abholzung zuständig.

Seit 30 Jahren analysieren INPE-Mitarbeiter minutiös, an welchen Orten wie viel Regenwald abgeholzt wird: "Mit unserem Überwachungssystem haben wir aufgezeigt, dass in Brasilien 783.000 Quadratkilometer des Amazonas-Regenwaldes abgeholzt wurden. Davon 436.000 seit Beginn der jährlichen Erfassung im Jahr 1988", sagt Projektkoordinator Claudio Almeida. Für seine Arbeit erhält das Institut pro Jahr knapp 2,2 Millionen Real (ca. 500.000 Euro) von der brasilianischen Regierung. Auch der künftige Präsident Jair Bolsonaro hat diese Finanzierung bisher nicht in Frage gestellt. Dabei hatte er bereits im Wahlkampf klargemacht, dass der Umweltschutz nicht Teil seiner politischen Agenda ist. Vergangene Woche dann zog Brasilien auf seine Initiative hin die Kandidatur zur Ausrichtung der Weltklimakonferenz 2019 zurück. Bolsonaro wird zwar erst im Januar vereidigt, nimmt aber schon jetzt - während der Übergabe der Regierungsgeschäfte - erheblichen Einfluss auf die Politik.

Militärdiktatur förderte Abholzung des Amazonas

Das Programm zur systematischen Erfassung der Abholzung begann Ende der 1970er Jahre - allerdings nicht zum Schutz der Natur, sondern weil die damalige Militärregierung prüfen lassen wollte, ob der Regenwald auch tatsächlich wie gewünscht abgeholzt wurde. Es gab staatliche Zuschüsse, damit der Wald durch landwirtschaftliche Betriebe ersetzt wurde - und das INPE sollte feststellen, ob der Urwald auch wirklich Viehweiden und Äckern wich.

"Die staatlichen Zuschüsse sorgten dafür, dass der Regenwald Stück für Stück verschwand", erzählt Dalton de Morisson Valeriano. Der Forscher wirkte selbst am Aufbau des Überwachungssystems mit. Erst Jahre später habe sich das Szenario geändert: "Es gab großen Druck aus dem Ausland auf Brasilien."

Fotos in der Größe von einem Quadratmeter

Daraufhin begann Brasilien im Jahr 1988 damit, die Abholzungsraten jährlich zu erfassen. Und das war damals echte Handarbeit: Die Satellitenbilder wurden ausgedruckt und den Forschern auf Papier zugeschickt: 229 Fotos, jedes einen guten Quadratmeter groß, stellten das riesige Amazonas-Gebiet dar. Die Forscher mussten über die Bilder gebeugt mit bloßem Auge erkennen, wo Teile des Waldes fehlten, die Bereiche einkreisen und später die Größe berechnen. Den Bericht des Jahres 1988 veröffentlichten sie erst drei Jahre später. "Wir mussten mit all diesen Widrigkeiten zurechtkommen und zugleich das internationale Misstrauen abbauen", sagt Thelma Krug, Mitbegründerin des Programms und heutige Vize-Präsidentin des Weltklimarats. "Heute ist das Programm anerkannt. Keine Regierung der Welt würde es wagen, unsere Daten anzuzweifeln."

Heute wertet das Programm Daten von drei Satelliten aus: einem US-amerikanischen, einem indischen und einem brasilianisch-chinesischen. Seit 2003 ist die Arbeit digitalisiert. Der technische Fortschritt hat nicht nur die riesigen Fotoberge überflüssig gemacht: "Zu Beginn fuhren Überwachungsteams die Straßen ab und versuchten, mit bloßem Auge Rodungsgebiete ausfindig zu machen", erzählt Jair Schmitt vom brasilianischen Umweltministerium. Drei Jahrzehnte später können die Beamten in der Hauptstadt Brasília die Abholzung dank des INPE-Programms nahezu in Echtzeit verfolgen. Und sie werden jederzeit alarmiert. "Wir beobachten die Gegenden, in denen sich etwas entwickelt, und schicken dann Teams, die verhindern, dass der Wald an der Stelle kippt", erklärt Rene Luis de Oliveira vom "Brasilianischen Institut für Umwelt und erneuerbare natürliche Ressourcen" (IBAMA).

Holzfäller roden kleinere Flächen

Aber auch die Holzfäller haben sich mit der Technik weiterentwickelt und ihre Methoden geändert. Während früher große Flächen gerodet wurden, holzen sie heute eher kleine Bereiche ab, die von den Satelliten schwerer erfasst werden können. " Die Abholzung ist kleinteiliger geworden. Zu Beginn haben wir in sechs besonders kritischen Gegenden gearbeitet, heute sind es mindestens 13", sagt Oliveira. "Wir brauchen mehr Teams, um mit unserer Kontrolle effektiv dagegen vorgehen zu können."

Auf politischer Ebene feierte das Programm im Jahr 2004 seine ersten Erfolge. In diesem Jahr trat der "Aktionsplan zur Bekämpfung und Kontrolle der Abholzung im Amazonas" (PPCDAm) in Kraft, woraufhin die Abholzungsraten sanken. "Rückblickend kann man sagen, dass wir die Abholzung im Regenwald um 72 Prozent reduziert haben", sagt Jair Schmitt vom Umweltministerium. "Die systematische Kontrolle war unser Mittel, um diese Entwicklung einzuleiten."

Härtere Strafen für illegale Abholzung gefordert

Doch in den letzten vier Jahren ist der Einschlag wieder angestiegen. Neben der Kontrolle, hält Jair Schmitt auch die Kraft des Marktes für einen wichtigen Faktor zur Bekämpfung des Abholzung: "Wir stellen fest, dass weniger Produkte gekauft werden, die aus Abholzungsregionen kommen. Auch müssen wir noch bessere Anreize schaffen für diejenigen, die den Wald erhalten, und härtere Strafen gegen diejenigen verhängen, die ihn illegal abholzen."

Mittlerweile wurde des Erfassungs- und Kontrollsystem Richtung Südosten erweitert und erfasst nun auch den Cerrado, die brasilianische Savanne. Hier wachsen zwar weniger Bäume, aber auch hier gefährdet die illegale Abholzung das Ökosystem. Bis zum Jahr 2020 soll das ganze Land überwacht werden, sagt Schmitt. Claudio Almeida vom Raumforschungsinstitut INPE blickt wenig zuversichtlich in die Zukunft. Ihm liegt der Bericht für das Jahr 2018 bereits vor: Einen Rückgang der Abholzungsrate hat es auch in diesem Jahr nicht gegeben.

Autorin: Nádia Pontes (glh), Deutsche Welle

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