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Brasilien: Kein Karneval in Rio?

Auch kleineren Karnevals-Gruppen könnte Geld fehlen: Wegen der Wirtschaftskrise haben Sponsoren ihre Karnevals-Budgets gekürzt.
Auch kleineren Karnevals-Gruppen könnte Geld fehlen: Wegen der Wirtschaftskrise haben Sponsoren ihre Karnevals-Budgets gekürzt.

Rio de Janeiro ohne Karneval? Unvorstellbar! Doch derzeit liegen Rathaus und Karnevalisten über Kreuz: Rios Bürgermeister Marcelo Crivella hat angekündigt, die städtischen Zuwendungen zu halbieren. Nur zwölf Millionen Real (3,3 Millionen Euro) will Crivella den zwölf großen Sambaschulen der "Spezial-Gruppe" überweisen.

Zeitgleich hatte das Rathaus zwar mitgeteilt, die Karnevalsvereine sollten Ausgleichszahlungen aus der Tourismuskasse erhalten. Doch der Verband der zwölf Top-Schulen LIESA machte in einer Stellungnahme schon einmal fest, das Event müsse ohne sie stattfinden, wenn die öffentlichen Gelder entfielen.

Ein zweifelhafter Deal

Das Geld, heißt es aus dem Rathaus, wolle Crivella in die Ausstattung der städtischen Kindergärten investieren. Die Tageszeitung "O Globo" spricht von einer Budget-Verdoppelung in diesem Segment. Doch nicht nur die direkt betroffenen Sambaschulen warnen, dass für die Stadt deutlich mehr als zwölf Millionen Real auf dem Spiel stehen würden, sollte der Karneval 2018 tatsächlich ausfallen.

Denn auch viele der mehr als 70 kleineren Sambaschulen klagen über Geldmangel. Bisher seien erst 80 Prozent des versprochenen Budgets geflossen. Schon jetzt, so heißt es, lasse man die Vorbereitungen ruhen - auch weil Zulieferer den Schulen aufgrund der Nachrichten aus dem Rathaus keinen Kredit mehr geben wollen.

Klamme Karnevalskassen

Bereits in den vergangenen Jahren mussten die organisierten Karnevalisten in Rio mit kleineren Budgets auskommen. Zuerst strich der Bundesstaat Rio de Janeiro ab der Session 2016 die sechs Millionen Real, mit denen er den Karneval bis dahin bezuschusst hatte. Dann kürzten aufgrund der schlechten Wirtschaftslage auch noch die privaten Sponsoren ihre Karnevals-Budgets im ganzen Land.

Dennoch war der Karneval 2017 ein Erfolg: Sechs Millionen Menschen lockten die verschiedenen Gruppen laut der städtischen Tourismusbehörde Riotur auf die Straßen - unter ihnen mehr als eine Million Touristen. Den Umsatz bezifferte Riotur auf drei Milliarden Real (815.000 Euro). "Man fragt sich, ob er (Crivella) die Summe nicht kennt", sagte die Vorsitzende des Verbandes der Reisebüros in Rio de Janeiro (Abav-RJ), Cristina Fritsch, "oder ob es religiöse Gründe sind".

Aufstieg der Evangelikalen

Die Vermutung, der Bürgermeister von Rio lehne den Karneval aus religiösen Gründen ab, ist keineswegs neu. Crivella ist Bischof der "Igreja Universal do Reino de Deus" (IURD), einer einflussreichen Pfingstkirche mit Zentrale in Rio de Janeiro. Evangelikale Kongregationen halten ihre Mitglieder meist zu einer streng puritanischen Lebensweise an. Nicht wenige Menschen haben mithilfe solcher Organisationen den Weg in ein geordnetes und oftmals beruflich erfolgreiches Leben gefunden oder auch zurückgefunden.

Durch deren Spenden haben sich Freikirchen in vielen Ländern Nord- und Südamerikas zu milliardenschweren Verbänden entwickelt. Die IURD etwa betreibt in Brasilien den zweitgrößten Fernsehkanal des Landes, ihren Gründer Edir Macedo zählt das Forbes-Magazin seit 2017 zu den 46 Dollar-Milliardären Brasiliens.

Erfolg auf allen politischen Ebenen

Inzwischen bekennt sich jeder fünfte Brasilianer zu einer der zahlreichen Pfingstkirchen. Beflügelt von dem Zulauf engagieren sich deren Führungsriegen zunehmend politisch. Bisher hatten sie damit vor allem auf legislativer Ebene Erfolg - mit Sitzen in nationalen, bundesstaatlichen und kommunalen Parlamenten im ganzen Land.

Marcelo Crivella war der erste Evangelikale, der mit seiner Wahl zum Bürgermeister von Rio de Janeiro einen wichtigen Exekutivposten in Brasilien erringen konnte. Die Direktwahl in der zweitgrößten Stadt des Landes gewann er mit knapp 60 Prozent recht deutlich. "Er hat zwar aus seinen religiösen Verbindungen keinen zentralen Punkt seines Wahlkampfes gemacht", sagt die Anthropologin Christina Vital, die dem Thema ein Buch gewidmet hat, in einem DW-Interview. "Aber er tat dies, um nicht-evangelikale Wähler zu erreichen."

Crivella und der Karneval

Inzwischen mehren sich die Zweifel, ob er sich immer noch der breiten Bevölkerung verpflichtet fühlt, die ihn gewählt hat. Schon im vergangenen Februar fühlten sich viele Cariocas, wie die Einwohner Rios heißen, vor den Kopf gestoßen, weil ihr Bürgermeister nicht zur Eröffnung des Karnevals erschien, um den Karnevalisten den symbolischen Schlüssel der Stadt zu übergeben. Eine "Beleidigung für die ganze Bevölkerung" nannte das die Abav-RJ-Vorsitzende Fritsch. "Das ist eine traditionelle Zeremonie, da geht es nicht darum, ob man Karneval mag oder nicht."

Im Mai erließ Crivella eine Verordnung, nach der eine Stabsstelle seines Kabinetts über die Genehmigung von öffentlichen Veranstaltungen mit mehr als 1000 erwarteten Besuchern entscheiden soll. Bisher oblag dies der Tourismusbehörde Riotur, was offenbar gut funktionierte: "Mit vollständiger Dokumentation war es möglich, ein Event binnen drei Tagen genehmigen zu lassen", sagte Alan Sant'anna, Vorsitzender des lokalen Veranstalterverbands der Tageszeitung "O Globo". "Die neue Verordnung sieht 30 Tage vor." Zudem fürchte man, dass Entscheidungen aus politischen oder ideologischen Motiven gefällt würden.

Politischer Ausgleich

Der Verband der Sambaschulen wirft Crivella ohne Umschweife Wortbruch vor. Im Wahlkampf noch, heißt es in der erwähnten LIESA-Erklärung, habe er versprochen, die städtischen Zuwendungen für die Samba-Schulen mindestens auf dem Vorjahresniveau zu halten. Er habe sogar in Aussicht gestellt, sie zu erhöhen, um das Ereignis noch größer zu aufzuziehen.

Möglicherweise will Crivella lediglich Zeichen setzen für seine evangelikalen Mitstreiter. In der ersten Liga der Sambaschulen scheint man die Hoffnung jedenfalls noch nicht verloren zu haben. So heißt es in besagtem Statement, man erwarte, "angesichts des enormen wirtschaftlichen und finanziellen Nutzens, der Schaffung von Arbeitsplätzen und Einkommen sowie der Wertschätzung des Images der Stadt Rio de Janeiro", dass man in gemeinsamen Gesprächen eine Lösung finden werde.

Quelle: Deutsche Welle, Autor: Jan D. Walter.

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