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Banken spekulieren mit dem Hunger der Venezolaner

Die Armut in Venezuela wächst. "Wer in EMBI+ investiert, muss sich freuen, dass die Venezolaner hungern", kritisiert Harvard-Ökonom Hausmann. Foto: Adveniat/Marco Antonio Bello
Die Armut in Venezuela wächst. "Wer in EMBI+ investiert, muss sich freuen, dass die Venezolaner hungern", kritisiert Harvard-Ökonom Hausmann. Foto: Adveniat/Marco Antonio Bello

"Die Hunger-Anleihen" - so hat Ricardo Hausmann seinen neuesten Artikel überschrieben. Konkret geht es darin um ein Geschäft der US-Investmentfirma Goldman Sachs. Diese hat für 865 Millionen US-Dollar Schuldscheine der staatlichen venezolanischen Erdölfirma PDVSA gekauft. Die Anleihen gab es wegen des Risikos eines Zahlungsausfalls mit großem Abschlag; zum Fälligkeitstermin 2022 müsste Venezuela den Nominalwert von 2,8 Milliarden US-Dollar bezahlen ein satter Gewinn für die Anleger. Venezuela hat trotz 47 Milliarden US-Dollar Auslandsschulden in der Finanzwelt einen guten Ruf. Mit einer so drastischen Umschuldung wie einst in Argentinien rechnet kaum einer, da dann die Erdölexporte und diverse Aktiva im Ausland wie Raffinerien gerichtlich beschlagnahmt werden könnten.

Devisenquelle Erdöl plätschert nur noch

Hintergrund ist die Krise im Erdölstaat. Der durch Proteste bedrängte Präsident Nicolás Maduro versucht, sich mit allen Mitteln an der Macht zu halten. Und dazu braucht er zwei Dinge: das Militär und Geld. Letzteres ist knapp geworden, seit die Erdölpreise gesunken sind. Die sozialistische Mangelwirtschaft hat die Lage noch verschärft. Durch Enteignungen und staatliche Kontrollen liegt der Produktionsapparat darnieder; rund 8000 Firmen haben dicht gemacht. Das Erdöl, das 95 Prozent der Deviseneinnahmen liefert, ist zum Großteil an befreundete Bruderländer verpfändet oder wird eingetauscht oder gestundet. Der einzige Kunde, der noch bar bezahlt, sind die USA.

Gleichzeitig ist die Produktion durch mangelnde Wartung und Ineffizienz von einst drei Millionen auf 1,9 Millionen Fass pro Tag gesunken. Die Einnahmen reichen nicht mehr aus, um die Importe - vor allem Nahrungsmittel und Medikamente - zu finanzieren; sie sind seit 2012 um 75 Prozent geschrumpft. Das hat Folgen: Die Kindersterblichkeit ist laut einer Studie der Caritas um elf Prozent gestiegen, im Schnitt haben die Venezolaner neun Kilogramm Gewicht verloren.

Schuldpapiere aus Venezuela: "Widerlich"

"Wer in EMBI+ investiert, muss sich freuen, dass die Venezolaner hungern, damit die Regierung ihre Schulden bedienen kann", schreibt Hausmann. "Selbst wenn er hofft, dass Maduro stürzt, wird er der Zahlung seiner Papiere Vorrang einräumen vor dem Wiederaufbau des Landes. Und er wird sich auch freuen, wenn US-Richter im Falle eines Zahlungsausfalls venezolanische Güter beschlagnahmen. Die Fondsmanager haben die Opposition bereits bedroht, sollten sie eine Umschuldung auch nur in Betracht ziehen." Jeder, der venezolanische Staatsschuldpapiere habe, müsse angewidert von sich selbst ein. Venezolanische Bonds stellten zwar nur fünf Prozent der Anleihen im Index, aber 20 Prozent der Gewinne.

Die bürgerliche Opposition, die seit zwei Monaten gegen die autoritäre Regierung auf die Straße geht, um Wahlen zu erzwingen, protestierte scharf. Damit verschafften Finanzspekulanten dem autoritären Regime Luft, kritisierte Parlamentspräsident Julio Borges. Goldman Sachs erklärte, man habe die Anleihen über einen dritten Broker und nicht direkt von Venezuela gekauft, weil man glaube, dass sich die Situation verbessere. Die Firma ist bei weitem nicht die einzige, die mit der Krise in Venezuela spekuliert. Auch Fidelity Managements und Black Rock halten venezolanische Bonds; der japanische Fonds Nomura soll ebenfalls kürzlich Papiere für 100 Millionen gekauft haben.

Tonnenweise Gold an die Schweiz verpfändet

Auch die Schweiz ist etwas anders, aber gut im Geschäft. Laut der letzten verfügbaren venezolanischen Außenhandelsstatistiken von 2014 ist sie der zweitwichtigste Handelspartner der Regierung nach den USA: mit Exporten im Wert von 336 Millionen US-Dollar. Schweizer Statistiken erhellen, worum es dabei geht: Gold. Seit 2014 verzeichnen die Handelsbilanzen und der Weltwährungsfonds (IWF) Swap-Geschäfte, bei denen die venezolanische Zentralbank einer anderen Bank Goldreserven für eine bestimmte Zeit leiht und dafür Devisen erhält. Im Jahr 2016 gelangten demnach über 100 Tonnen Gold in die Schweiz, im Gegenwert von 3,2 Milliarden Euro.

Auch die Deutsche Bank war offenbar interessiert. Doch als die Opposition davon Wind bekam, wandte sich Borges in einem Brief an Deutsche-Bank-Chef John Cryan und verlangte von ihm, das Geschäft abzulehnen, da er sich sonst zum Förderer einer Diktatur mit "Verbindungen zum Drogenhandel und Terrorismus" mache. Seit 2015 hat Venezuela bereits die Hälfte seiner einst 361 Tonnen Gold verkauft oder verpfändet. Die Zentralbank beziffert den Wert der noch vorhandenen Reserven nach Angaben der Zeitung "El Nacional" auf 7,7 Milliarden US-Dollar.

Um das Geschäft mit dem Hunger der Venezolaner zu unterbinden, hat Ökonom Hausmann vorgeschlagen, Venezuela aus dem EMBI+ zu nehmen. Das löse das Dilemma der Fondsmanager, ohne andere Schwellenländer zu bestrafen. Die Beraterfirma JP Morgen, die den Index erstellt, solle darin nur Länder aufnehmen, die minimale demokratische und menschenrechtliche Standards erfüllten, forderte Hausmann. Es wäre ein Novum. (Sandra Weiss)

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