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Argentinien wieder einmal vor dem Bankrott

 

Seit Februar hat Buenos Aires keine Zinsen auf Staatsanleihen gezahlt. Und es sieht nicht aus, als würde man sich mit den Gläubigern auf eine Umschuldung einigen. Staatsbankrotte haben in Argentinien fast Tradition.

Bis Freitag haben die Inhaber argentinischer Staatsanleihen Zeit, ein Umschuldungsangebot des argentinischen Wirtschaftsministers Martín Guzmán zu akzeptieren. Doch die institutionellen Investoren scheinen nicht darauf eingehen zu wollen. Einer der größten Gläubiger, die Fondsgesellschaft Blackrock, hat bereits abgelehnt und ein Gegenangebot vorgelegt.

Vor allem, dass Argentinien seinen Schuldendienst bis 2023 ganz aussetzen und dann mit deutlich verminderten Zinsen wieder aufnehmen will, dürfte den Anlegern missfallen. Andererseits würden sie im Falle eines Staatsbankrotts wohl noch weniger zurückbekommen.

Wie um den Druck zu erhöhen, korrigierte das argentinische Wirtschaftsministerium am vergangenen Dienstag seine Prognosen für 2020: Um 6,5 Prozent werde die Wirtschaft schrumpfen, das Haushaltsdefizit 3,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen. Drei Tage vor Fristende zeichnet die Regierung damit ein wesentlich düsteres Bild als noch vor einigen Wochen.

Argentinien längst pleite

Natürlich hinterlässt die COVID-19-Pandemie auch in der argentinischen Wirtschaft ihre Spuren. Doch die Staatspleite droht schon länger. Als Alberto Fernández im Dezember 2019 Präsident wurde, erbte er einen Schuldenberg von 320 Milliarden US-Dollar, aufgetürmt von seinen Vorgängern Cristina Kirchner und Mauricio Macri.

Allein in den vergangenen zwei Jahren ist die Staatsverschuldung von 57 auf 90 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) gestiegen – weil Argentinien Schulden machte, aber auch, weil gleichzeitig der Wechselkurs der Landeswährung verfiel. Ein US-Dollar kostet heute mehr als vier Mal so viele Pesos wie Anfang 2017.

"Präsident Fernández hat es zwar noch nicht bekannt gegeben, aber das Land war eigentlich schon vor seinem Amtsantritt zahlungsunfähig", sagt Federico Foders, emeritierter Professor des Kieler Instituts für Weltwirtschaft. Je nachdem, wie sich die Zinsen entwickeln, stünden in den nächsten Jahren bis zu 45 Milliarden US-Dollar pro Jahr an Schuldendienst an, schätzt Foders. Gemessen am BIP von 2019 wären das zehn Prozent der Wirtschaftsleistung: "Das kann kein Land dieser Welt tragen."

Staatsbankrott als Tradition

Der neunte Zahlungsausfall in der 200-Jährigen Geschichte des Landes und der dritte in diesem Jahrtausend, sagt der gebürtige Argentinier, sei also nicht mehr abzuwenden. Gemessen an der Gesamtverschuldung wäre es die größte Staatspleite der Geschichte. Nach nur zweieinhalb Jahren hätte Argentinien diesen zweifelhaften Rekord von Venezuela zurückerobert. Schon 2001 hatte Argentinien mit 132 Milliarden US-Dollar Schulden den seinerzeit historischen Staatsbankrott erklärt. Nach weitreichenden Schuldenschnitten blieben die Gläubiger damals auf Forderungen von mehr als 80 Milliarden US-Dollar sitzen.

Der nächste Zahlungsausfall kam 2014, als zwei US-amerikanische Hedgefonds Teile dieser alten Forderungen vor dem zuständigen Gericht in New York erneut einklagten und gewannen. Die peronistische Regierung unter Christina Kirchner verweigerte die Zahlung, erst ihr Nachfolger Mauricio Macri zahlte.

Argentinien zurück am Kapitalmarkt

Damit öffnete er Argentinien den Weg zurück an die internationalen Kapitalmärkte. Und die Investoren schenkten Macri, der sich als wirtschaftsliberaler Gegenpol zum linkspopulistischen "Kirchnerismo" präsentierte, ihr Vertrauen. Die Bedenken, die man angesichts der berüchtigten Fiskalhistorie des Landes und der schlingernden Realwirtschaft hätte haben können, traten in den Schatten großzügiger Zinsen: "Das war vor dem Hintergrund der Niedrigzinsphase in den Industrieländern für Investoren attraktiv", sagt Volkswirt Foders.

Doch nicht nur private Anleger verfielen Macris Aura. Noch im Oktober 2018, die Wirtschaft schrumpfte bereits, lieh der Internationale Währungsfonds (IWF) seiner Regierung 56,3 Milliarden US-Dollar.

Eine Blamage für den IWF

Schon damals zeigte der Blackrock-Manager Rick Rieder nur noch verhaltenen Optimismus: "Ich glaube, dass Argentinien die Kurve kriegen kann. Die Unterstützung durch den IWF ist eine große Sache", sagte er gegenüber Bloomberg, gab aber zu bedenken: "Sie haben fiskalische Herausforderungen, eine anstehende Wahl, die Herausforderungen sind real. Ich glaube, man sollte etwas vorsichtiger sein als noch zu Beginn des Jahres, wir sind es mit Sicherheit."

Bereits im Februar - keine eineinhalb Jahre, nachdem der IWF Argentinien den größten jemals von ihm vergebenen Kredit eingeräumt hatte - hörte das Land auf, inländische Kredite zu bedienen. Für den IWF, sagt Ökonom Foders, wäre ein weiterer Zahlungsausfall eine Riesenblamage: "Der Währungsfonds weiß ganz genau, wie das Land tickt, wie hoch die Verschuldung damals war."

Politik über Finanzen

Doch Macri als Konservativer galt vielen Geldgebern des IWF als Stabilitätsfaktor im über Jahre sozialistisch geprägten Südamerika. Vor allem die USA als größter Anteilseigner nehmen erheblichen Einfluss auf den IWF: "Das war immer so, und das ist auch kein Geheimnis", sagt Foders. "Und sehr wahrscheinlich hat Donald Trump damals Druck gemacht, dass Macri das Geld bekommt."

Auch die Verhandlungen über diesen Kredit laufen, nachdem Argentinien dem IWF Einblick in die Staatsfinanzen gewährt hat. Am Mittwoch appellierten 138 renommierte Ökonomen aus 20 Ländern an die Gläubiger, konstruktiv mit Argentinien zu verhandeln. Der IWF zumindest dürfte Präsident Fernández von der Kirchner-Partei wohl nicht so wohl gesonnen sein wie dessen Vorgänger Macri - und den privaten Gläubigern geht es vor allem ums Geld. Die nächsten Raten in einer Gesamthöhe von einer halben Milliarde US-Dollar ist am 22. Mai fällig. Fließt sie nicht, ist Argentinien wieder einmal bankrott.

Autor: Jan D. Walter, Quelle: Deutsche Welle

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