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Argentinien |

Anthropologe spricht von Völkermord im Chaco

Der Dokumentarfilm "EL ETNÓGRAFO" mit John Palmer zeigt eine untergehende Kultur und eine zerstörte Welt. Foto: Fortunato Films.
Der Dokumentarfilm "EL ETNÓGRAFO" mit John Palmer zeigt eine untergehende Kultur und eine zerstörte Welt. Foto: Fortunato Films.

John Palmer zufolge spielt sich im Chaco ein Ethnozid ab, unter kuturellen, sozialen und ökologischen Gesichtspunkten. Der Anthropologe legt mit seiner indigenen Frau und den fünf Kindern, die drei Sprachen sprechen, in einer Gemeinde des Chaco. Die verheerende Situation sei darauf zurückzuführen, dass Argentiniens Regierung zwar gelobe, alles zu tun, um die grundlegenden Bedürfnisse der Menschen und eine funktionierende Infrastruktur sicherzustellen.

Allerdings hätten die Verantwortlichen keine Ahnung von der tatsächlichen Lage vor Ort. Es gebe in Argentinien zwar ein Gesetz über Interkulturalität, in der Realität aber werde die herrschende Kultur der indigenen Kultur aufgezwungen. "Interkulturalität" sei nur ein Modebegriff. Die Indigenen seien für das Konzept viel aufgeschlossener als die Mehrheitsgesellschaft und auch toleranter als diese. Das Ganze beruhe aber nicht auf Gegenseitigkeit.

Indigene empfinden Scham für ihre Identität

Viele junge Indigene gäben sich nicht als solche zu erkennen, aus Angst, diskriminiert zu werden. Sie empfänden Scham für ihre Identität und lebten sie nicht. Die Mehrheitsgesellschaft müsse Interesse für die indigene Kultur zeigen. Es handelt sich nicht nur um ein abstraktes Sterben. Im August starben im Chaco ein Baby vom Volk der Wichí und eines vom Volk der Toba an Dehydrierung. Indigene Kinder wachsen in Armut auf und die Situation verschlimmert sich noch, wie die Statistik zeigt.

Das gefühlte räumliche Ende der Welt

Die Anfänge des Dramas im Chaco reichen hundert Jahre zurück, als indigenes Land von kreolischen Viehzüchtern besetzt wurde. Es folgten Finca-Besitzer. Die Neuankömmlinge hatten es auf Holz, Erze und Öl abgesehen. Anthropologe Palmer spricht von der Region als dem Ende der Welt für jene, die hier lebten. Sie habe sich inzwischen in Ödland verwandelt - eine Umweltkatastrophe. Die indigenen Bewohner hätten über Jahrtausende von ihrem Land gelebt. Nun sei es entweder verschwunden oder habe sich drastisch reduziert.

Provinz-Regierung will Wohlstand auf Kosten der Indigenen sichern

Die Regierung der im Nordwesten Argentiniens gelegenen Provinz Salta halte ihre Hand über die Zustände, die damit gerechtfertigt würden, dass hiervon der Wohlstand der anderen Bewohner abhänge - auf Kosten der Indigenen.

Diese aber bräuchten ihren eigenen Raum, um ihre Traditionen wieder pflegen und einfach sie selbst zu sein zu können. Hieran ändere auch alle staatliche Hilfe in Form von Nahrungsmitteln, Gesundheits- und Bildungsdienstleistungen und Infrastruktur nichts. Statt Integration gehe es der Mehrheitsgesellschaft darum, die Indigenen quasi zu verschlucken.

Abhängigkeit vom Staat statt selbstbestimmtem Leben

Palmer prangert an, dass Indigene ihre eigenen Ressourcen nicht nutzen könnten und ihr Dasein in Abhängigkeit von staatlicher Hilfe fristen müssten. Aus Ureinwohnern könnten nicht von einem Tag auf den anderen argentinische Staatsbürger gemacht werden - weder mit Schulen oder Mobiltelefonen noch mit Fernsehgeräten. Die Mehrheitsgesellschaft mache sich die Friedfertigkeit der Indigenen zunutze, die keinen konfrontativen, sondern einen sanften Umgang mit anderen Menschen pflegten. Sie reagierten passiv auf eine in hohem Maße militarisierte Gesellschaft. Sobald Indigene auf die Straße gingen, um irgend etwas zu fordern, rücke die Ordnungsmacht an. Weder hätten die Indigenen eine Vertretung, noch könnten sie sich anderweitig Gehör verschaffen.

Indigene Traditionen lassen sich wiederbeleben

Wichtiger als ein Infrastrukturprogramm könne es sein, die indigene Identität und deren Wert anzuerkennen, so der Anthropologe. John Palmer erkennt zwar eine Erosion der indigenen Kultur, denn die Bräuche seien vor 20 Jahren noch intakt gewesen. Zwischen den Generationen habe es einen Bruch gegeben, da die traditionellen Kenntnisse nicht mehr weitergereicht worden seien. Dies lasse sich aber ändern, indem die jungen Indigenen eine Lebensperspektive erhielten und zum Beispiel jagen oder fischen könnten. Eine Wiederbelebung der Traditionen erfordere einfach eine Anerkennung ihres Wertes.

Quelle: Servindi, deutsche Bearbeitung: Bernd Stößel.

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