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Venezuela |

"2019 wird das Jahr der Befreiung"

Für den Samstag hat Juan Guaidó zu neuen Massenprotesten in Venezuela aufgerufen. Die führende Oppositionspolitikerin María Corina Machado gibt sich im DW-Interview zuversichtlich, dass die Maduro-Regierung am Ende ist.

Präsident Maduro (Foto: Reuters/Handout Miraflores Palace)

María Corina Machado ist Gründerin der liberalen Partei Vente Venezuela und gilt als einflussreichste Oppositionspolitikerin Venezuelas.

Deutsche Welle: Wie lange wird sich Nicolás Maduro noch an der Macht halten? Tage, Wochen oder Monate?

María Corina Machado: Es ist in dem Moment vorbei, in dem es für Maduro und seine Gefolgschaft teurer wird, zu bleiben, als zu gehen. Wie lange Maduro an der Macht bleibt, wird meiner Meinung nach auch nicht in Tagen, Wochen oder Monaten gemessen, sondern in Bezug auf die Anzahl der Toten. Diese Dringlichkeit muss die Welt verstehen. Jeden Tag sterben Venezolaner an Hunger, an Medikamentenmangel oder durch die Gewalt der Regierung.

Aber das Militär, das der Schlüssel im Konflikt ist, hält weiter fest zu Maduro.

Nein, der Großteil des venezolanischen Militärs lehnt Nicolás Maduro ab. Das Militär weiß viel besser als jeder andere in Venezuela, in welchem Mafiasystem wir mittlerweile leben. Das Militär weiß, dass diejenigen, die sich nicht an illegalen Aktivitäten beteiligen, nach Hause kommen und dort einen leeren Kühlschrank vorfinden. Und das Militär weiß auch, dass es schlecht ausgerüstet, schlecht ausgebildet und schlecht bezahlt ist. Die Soldaten leiden genauso wie die venezolanische Bevölkerung.

Das Ausland, insbesondere die USA, versuchen ja, Druck auf das Militär auszuüben, die Seiten zu wechseln und sich dem selbsternannten Übergangspräsidenten Juan Guaidó anzuschließen. Was könnten oder sollten Länder wie Deutschland tun?

Sehr viel. In Europa denken viele vielleicht, Venezuela liegt weit weg, und was dort passiert, hat keinerlei Auswirkungen auf Europa. Aber organisierte Kriminalität, Geldwäsche und illegale Transaktionen haben das sehr wohl. Sie gefährden auch die europäischen Demokratien und die Sicherheit des Westens. Die Länder in Europa müssen Maduro zu verstehen geben, dass seine Zeit abgelaufen ist, gerade ein Land wie Deutschland, das die Tragödie des Totalitarismus am eigenen Leib erlebt hat. Deutschland hat eine große moralische Autorität, nicht nur als Führungsmacht in Europa, sondern im gesamten Westen.

Sie lehnen die Regierung Maduro komplett ab. Würden Sie sagen, sein Vorgänger Hugo Chávez hat mit seiner Bolivarischen Revolution alles falsch gemacht?

Hugo Chávez hat die Spaltung in der venezolanischen Gesellschaft vorangetrieben, demokratische Institutionen zerstört und kriminelle Netzwerke ins Land gelassen. Er hat die größte Verarmung in der Geschichte Venezuelas gefördert und Nicolás Maduro zu seinem Nachfolger gemacht. Und wenn alle Karten auf dem Tisch liegen, werden wir sehen, dass er der Hauptverantwortliche war für die mit 600 Millionen Dollar größte Plünderung in der Geschichte der ganzen Welt.

Etwa 20 Prozent der Venezolaner sind da immer noch komplett anderer Meinung. Wie sollen die Chavistas in der künftigen Politik und Gesellschaft Venezuelas integriert werden?

Es werden jeden Tag weniger. Schauen Sie, viele Menschen haben allein schon Angst, an einer Meinungsumfrage teilzunehmen. Denn einen Beutel mit Lebensmitteln zu bekommen, der manchmal das Einzige ist, was eine Familie hat, hängt von der Loyalität gegenüber dem Regime ab. Wenn das Regime also den Verdacht hat, dass Sie mit dem System nicht einverstanden sind, wird Ihnen dieser Beutel mit Lebensmitteln verweigert. Deshalb bin ich mir sicher, dass sich heute in Venezuela viel weniger als 20 Prozent mit diesem System identifizieren.

Was die Integration angeht: Es ist unsere Pflicht für das zukünftige Venezuela, jeden Venezolaner, so unterschiedlich seine Vorstellungen auch sein mögen, zu integrieren, auch um einen Versöhnungsprozess zu initiieren. Aber zuerst muss es Gerechtigkeit geben. Wir wollen keine Rache, aber auch keine Straffreiheit. Nur wenn es Reue und Gerechtigkeit gibt, kann es auch Versöhnung und Vergebung geben.

Würden Sie einen Präsidenten Guaidó unterstützen?

Ich habe vom ersten Tag an gesagt, dass Juan Guaidó seiner Pflicht und seiner Verantwortung gerecht geworden ist, als er sich durch die Anwendung des Artikels 233 zum Übergangspräsidenten ernannt hat. Der nächste Schritt wäre eine Übergangsregierung, die vor immensen Herausforderungen steht, nämlich eine Wirtschaftskrise, eine humanitäre Katastrophe und eine Krise der inneren Sicherheit zu bewältigen. Juan Guaidó wird da jede Unterstützung gut gebrauchen können, weil dies eine Übergangsregierung mit breiter Bürgerbeteiligung sein muss, inklusive derjenigen, die Maduro und Chávez einmal unterstützt haben. Aber diese Übergangsregierung muss am Ende vor allem die notwendigen Voraussetzungen für freie und sichere Wahlen schaffen.

Das heißt, bei Präsidentschaftswahlen werden die Karten wieder neu gemischt. Wie würden Sie ihr Verhältnis zu Guaidó beschreiben?

Juan und ich haben uns in der Nationalversammlung kennengelernt, als wir beide Kongressabgeordnete waren. Wir waren damals in der gleichen Fraktion der Unabhängigen. Mir imponiert vor allem sein Mut. Juan weiß, und dies habe ich immer wieder öffentlich erklärt, dass er auf mich zählen kann, diesen Weg Venezuelas in die Zukunft zusammen zu gestalten. Wir werden die 20 dunklen Jahre des Sozialismus hinter uns lassen, einen Sozialismus, der nicht hier und nirgendwo auf der Welt funktioniert hat.

Wie wahrscheinlich ist es also, dass eine María Corina Machado, ein Leopoldo López, ein Antonio Ledezma und ein Juan Guaidó zusammen in einem Team arbeiten?

Wir arbeiten bereits in diesem Moment zusammen und wir werden es auch weiter tun. Aber es ist offensichtlich, dass es zwischen uns ideologische Unterschiede gibt. Ich wünsche mir ein Venezuela, in dem diese Differenzen auf respektvolle und offene Weise ausgetragen werden.

2019 könnte ganz entscheidend für Venezuelas Zukunft sein. Was wird man über dieses Jahr später in den Geschichtsbüchern lesen?

2019 wird als das Jahr der Befreiung für Venezuela in die Geschichtsbücher eingehen. Das mafiöse System mit dem Gesicht von Maduro an der Spitze wird zusammenbrechen, das System, das dem Land nur Korruption, Armut und Tod gebracht hat. Venezuela wird diese Zeit hinter sich lassen und in eine Phase des Rechts auf Wachstum, auf freie Entwicklung und auf Freiheit eintreten.

Und wenn es nicht so kommt, was wäre das Negativ-Szenario für 2019?

Das Negativ-Szenario wäre, dass wir noch bis Ende des Jahres darauf warten müssen.

Das Interview führte Oliver Pieper, Deutsche Welle

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